Es war schon spät, aber ich war trotzdem noch in der Uni. Ich war auf ein Problem in einer meiner Gleichungen gestoßen und musste das unbedingt noch lösen. Sonst würde ich eh nur im Bett liegen und darüber nachdenken. Total in Gedanken versunken lief ich zwischen zwei großen Tafeln hin und her und schrieb etwas ran, nur um es kurz danach entweder zu korrigieren oder ganz zu verwerfen. Seufzend ließ ich mich dann auf meinen Stuhl nieder. Irgendwas fehlte, war nicht richtig, aber ich kam einfach nicht darauf, was es war.

Ich starrte einfach auf die Tafel, in der Hoffnung, dass ich so das Problem lösen konnte. Doch irgendwie war ich nicht so erfolgreich dabei. Es dauerte eine Weile bis ich merkte, dass ich nicht mehr alleine war. Ich drehte mich um und sah Belle an der Tür stehen. Oh. Ich stand schnell auf und lächelte sie an. "Tschuldigung, ich war..." Ich wedelte mit einer Hand in die Richtung der Tafel ".. abgelenkt. Komm rein" sagte ich und deutete dann an meinen Schreibtisch. Der war mit tausenden von Blättern überseht und so versuchte ich, die irgendwie etwas anders übereinander zu stapeln, damit ich mehr Platz hatte. "Kann ich dir irgendwie helfen? Es ist schon ziemlich spät" fragte ich sie dabei, bevor ich mich hinsetzte und sie ansah. Sie hatte ihre Haare offen und sah verdammt gut aus.

Ich sah sie an, dann zur Tafel, bevor ich wieder zu ihr sah. Oder starrte. Je nachdem , wie man dass sehen wollte. Langsam bildete sich ein Grinsen auf meinem Gesicht und ich sprang auf, um zur Tafel zu gehen. "Natürlich!! Das soll eine 5 sein und keine 3" sagte ich erfreut und korrigierte meinen Fehler. Innerhalb weniger Sekunden hatte ich eine Gleichung, die perfekt aufging. Grinsend drehte ich mich wieder um. "Sehr gut. Danke, Belle" sagte ich und überlegte dann kurz. "Natürlich. Uhm, dass macht man so, oder? Dein Hauptfach ist Angewandte Mathematik und da ich dein Professor war, bin ich dein Doktorvater?" fragte ich sie, während ich auf meiner Lippe rumbiss. Ich wollte auf keinen Fall zu viel Hoffnung in die Sache stecken.

Ich freute mich wirklich wahnsinnig. Und ich war ihr unendlich dankbar. Bei ihren Worten fuhr ich mir durch die Haare und lachte leise. "Ja, das... das stimmt" sagte ich dann und sah sie vorsichtig an. Ich ging wieder zu ihr und blieb neben ihr stehen. "Übrigens, nenn mich Jean. Du bist ja nicht mehr meine Studentin" bot ich ihr dann an. Doch dann fiel mir ein, dass sie ja nicht grundlos hier war. "Also, was ist dein Thema?" fragte ich sie dann.

Ich lächelte sie an und nickte dann. "Sehr gut. " sagte ich nur. War sie irgendwie nervös? Ihr hing eine Strähne ins Gesicht und ich schaffte es ganze 10 Sekunden zu widerstehen, bevor ich meine Hand ausstreckte und ihr die Strähne hinters Ohr steckte. Dann ließ ich meine Hand fallen und sah sie an. "Uhm.. tut mir Leid, das war nicht..nicht angebracht" sagte ich schnell und entfernte mich ein bisschen von ihr um durch Blätter zu sortieren , die definitiv schon in richtiger Reihenfolge waren. Aber das wusste sie ja nicht.

"ja, aber..." Mir fiel selber keine Begründung ein und so zuckte ich nur mit den Schultern. Das war einfach kompliziert. Sie löste Sachen - Gefühle - in mir aus, die ich nicht deuten konnte. Für mich waren Zahlen logisch und Muster und Reihen, aber sowas nicht. Ich war schließlich nicht mein Bruder. Ich sah sie an und biss mir wieder auf meine Unterlippe. Ich wusste einfach nicht, was ich sagen sollte.

Was sollte ich denn darauf jetzt bitte sagen? Aber ich habe schon lange Gefühle für dich und daher war das total unangemessen? Selbst ich konnte sagen, dass das nicht richtig wäre. Ich seufzte, sah dann aber erschrocken auf. "Ohm.. Ja natürlich, tut mir Leid" sagte ich dann. Ich fuhr mir durchs Haar und wollte gerade wieder zu meinen Tafeln gehen, nur um irgendwas zu tun, als sie nach meinen Händen griff. Überrascht sah ich sie an und erlaubte mir, irrational zu handeln. Ich verschränkte unsere Finger und lehnte mich dann vor, langsam, sodass sie selber entscheiden konnte, ob sie das wollte, oder nicht.